Es erweist sich als nicht ganz einfach einen Weg aus Usbekistan nach Tadschikistan zu finden. Die fehlerhafte Karte sorgt mehr für Verwirrung als für Klarheit. Wir fragen uns also im Angeblichen Grenzort Bekhabad durch und müssen nochmals unerwartet 40 km weiter Richtung Norden fahren bis wir endlich am Grenzübergang stehen. Der Grenzübertritt erweist sich als sehr unkompliziert und freundlich, selbst für die nötigen und fleissig gesammelten Registrationskarten interessiert sich niemand. Noch schneller geht es beim tadschikischen Posten. Die Beamten wollen beim Fernsehen nicht lange gestört werden. So reisen wir schon früh Morgens in Tadschikistan ein. Mehr als die Hälfte der tadschikischen Landesfläche liegt in einer Höhe von über 3000 Meter. Wir legen aber erst einmal ganz unten los und fahren in das 350 Meter hoch oder besser tief gelegene und sehr heisse Khujand. Am folgenden Tag erreichen wir nach längerem diskutieren mit den Beamten und mehrfachem wechseln der Schalter in der zuständigen Amtsstelle, dass uns das benötigte GBAO Permit für den Pamir- Highway resp. die autonome Provinz Gorno-Badakhshan ausgestellt wird. Damit sind die Vorbereitungen für die Befahrung der spektakulären Strasse abgeschlossen. Nach Abkühlung sehnend, nehmen wir den 150 km langen Aufstieg zum Sakristan-Pass in Angriff. Die letzten 1000 Höhenmeter des insgesamt 3000 Meter Aufstiegs, legen wir auf einer nicht asphaltierten, lehmigen und rutschigen Strasse mit reichlich Schwerverkehr zurück. Auf der anderen Talseite angekommen, klettern wir bereits wieder dem nächsten, dem Anzob-Pass entgegen. Der Weg führt durch eindrückliche, einsame und wilde Schluchten, die eigentliche Passstrasse ist in wunderschöne Natur eingebettet und bietet ein atemberaubendes Bergpanorama auf die umliegenden 4000 bis 5000 Meter hohen Gipfel. Da durch den Berg ein Tunnel führt, gehört dieser Pass uns alleine und wir stellen unser Zelt direkt auf der Passtrasse auf. Fünf Tage nach verlassen Khujands erreichen wir das 700 Meter tief liegende Dushanbe bei grosser Hitze. Ohne eine Pause einzulegen verlassen wir die tadschikische Hauptstadt gleich am nächsten Morgen wieder. Vier anstrengende, von schlechten und staubigen Strassen geprägten Tage später, stehen wir auf dem Sagirdasht-Pass, unserem letzten vor dem eigentlichen Pamirgebirge. Wir übernachten kurz vor der Passhöhe und geniessen einen atemberaubenden Sternenhimmel. Nach einer langen und spannenden Abfahrt am nächsten morgen, stoppte uns das Militär an einem Checkpoint und gib uns mit eindeutigen Gesten zu verstehen dass eine Weiterfahrt nach Kohrog nicht möglich ist, da dort Kämpfe laufen und geschossen wird. Khorog liegt direkt an der afghanischen Grenze und ist Hauptort der autonomen Region Gorno-Badakhshan. Hier nimmt der eigentliche Pamir-Highway seinen Anfang. Erst denken wir der Offizier erlaube sich einen Spass mit uns. Ein Blick jedoch in die Runde, wo alle anwesenden Köpfe nickten und auf ihre Gewehre mit Granatwerfern klopften, lässt in uns ein mulmiges Gefühl aufkommen. Wir fahren stillschweigend im nächsten Ort, Kalaikhum ein. Hier begegnen wir schon nach wenigen Minuten Fabienne und Ruedi, ebenfalls ein schweizer Paar auf Veloreise deren Weiterfahrt gestoppt wurde. In den nächsten 24 Stunden treffen weitere Veloreisende ein. Sie sind an einem Checkpiont zwischen Kalaikhum und Khorog gestoppt und zurückgeschickt worden. Janine und Dominik zwei Schweizer die wir bereits einmal in Samarkand getroffen haben, Chris, ebenfalls Schweizer und uns ebenfalls bereits bekannt, die Amerikanerin Ellen, weit und breit die einzige allein reisende Frau auf dem Fahrrad und zwei Basken. So sitzen wir, zehn Velofahrer, gemeinsam im selben Homestay fest und sind ratlos. Es ist schwierig an Informationen zu kommen und die Weiterfahrt wird uns weiterhin verwehrt. Ein Konvoi von Botschaftsfahrzeugen verschiedener westlicher Länder passiert Kalaikhum, um „ihre“ Leute aus Khorogh zu evakuieren. So organisieren letztendlich auch wir schweren Herzens einen Rücktransport nach Dushanbe. Das ist nicht ganz einfach, verlassen doch alle Touristen und mit ihnen sämtliche Fahrzeuge das Tal. Die Fahrt im Geländewagen dauert 11 Stunden für eine Strecke von 350km, das sagt doch einiges aus über den Zustand der Hauptverkehrsader in Tadschikistan. Zurück in Dushanbe quartieren wir uns alle zusammen im „Adventures Inn“ ein, dieses Guesthouse platzt aus allen Nähten. Zelt an Zelt steht im Garten, es wimmelt von gestrandeten Pamirreisenden. Evakuierte Touristen, Botschaftsangestellte, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und der vereinigten Nationen sowie Medienleute beziehen in den nächsten Tagen gegenseitig ihre Informationen voneinander. Die Gerüchteküche brodelt. Von offizieller Seite wird nicht informiert. So sitzen wir nun täglich an dem selben zwei kleinen Plastiktisch auf denselben kaputten Plastikstühlen, trinken Bier, organisieren Essen und verschieben unsere Sitzposition dem Schatten folgend mit dem sich ändernden Sonnenstand. Sicher ein halbes Dutzend mal sind wir kurz davor, wieder Richtung Pamir aufzubrechen. Nach Rund einer Woche ist es aber klar, alle Zufahrtstrassen und Grenzen nach Gorno-Badakhshan sind bis auf weiteres geschlossen. Kirgistan, das Nachbarland und unser nächstes Ziel, schafft genau zu diesem Zeitpunkt die Visumpflicht für Touristen ab und öffnet eine Grenze nördlich des Pamirs die sonst für Ausländer gesperrt ist. Somit eröffnet sich uns eine unkomplizierte Weiterreise nach Kirgistan.
So begraben wir unseren Traum vom Pamir endgültig. Wir folgen dem Kyzyl Suu, einem Fluss der von Kirgistan her kommt. An den staunenden Gesichtern der dort lebenden Menschen ist zu erkennen dass diese Gegend vom Tourismus bis anhin nicht viel zu spüren bekommen hat. Erst durch das öffnen der Grenze kommen diese und dann noch meist auf Fahrrädern.
Die ersten Veloreisenden kommen uns entgegen, dies nimmt uns die Ungewissheit ob den nun die Grenze auch wirklich offen ist. Nach drei Tagen stehen wir also am neu geöffneten Grenzübergang zu Kirgistan. „Aaaaaah Touristi“ ruft uns ein uniformierter Herr mit freundlichem Lächeln entgegen. Fröhlich werden die Hände geschüttelt und wir werden eingewiesen in welchem Gebäude wir uns zu melden haben. Die Formalitäten sind schnell erledigt, kurz noch einen Drogentest, welcher aus der Frage besteht, ob wir Drogen nehmen, oder Pillen, vielleicht XTC? Nein, tun wir nicht, und schon geht es weiter durchs Niemandsland, Kirgistan entgegen. 12 km erstreckt sich das Niemandsland auf staubiger und heisser Piste. Etwa in der Mitte stoppen uns einige Arbeiter und stellen sich uns als Kirgisen vor. Vodka wird hervorgezaubert und wir sind verpflichtet, diesen in unsere Kehlen und unsere leeren Mägen zu schütten. Leicht angeheitert plaudern wir noch mit dem vorgelagerten Wachsoldaten und drücken uns eine Handvoll Erdnüsse in den Mund. Dies dient der Neutralisation unserer Vodkafahne, schliesslich wollen wir ein gutes Bild am kirgisischen Posten abgeben. Der kirgisische Grenzposten ist nicht einfach als solchen zu erkennen. Es könnte ebenso gut auch eine Baustelle oder Barackensiedlung sein. Etwas ratlos fragen wir ob dies nun die Grenze sei, was es dann auch tatsächlich ist. Auch hier sind alle freundlich, wir geben unsere Pässe ab und warten vor einer Baracke auf der Treppe. Einige Minuten später drückt man uns die Pässe wieder in die Hand, das wars, wir sind drin. Kirgistan begrüsst uns mir einem heftigen Gewitter.
Vor dem heftigen Unwetter, das uns kurz nach der Einreise nach Kirgistan überrollt, suchen wir Schutz unter einem Lastwagen welcher auf die Zollabfertigung wartet. Wir befinden uns auf einer Hochebene dem wir in den nächsten Tagen folgen werden. Ein riesiges Flussbett trennt die eine Talseite von der anderen und wenn es nicht gerade stürmt oder die Gegend von tiefliegenden Wolken verhangen ist, können wir einen Blick auf die 7000er des Pamirgebirges erhaschen die sich auf der gegenüberliegenden Talseite erheben. Alle paar Stunden treffen wir auf ein kleines Dorf und wenn wir Glück haben sogar auf einen Laden oder einen Dorfmarkt. Im Unterschied zu Tadschikistan wo der Esel auf dem Lande Transport- und Lasttier ist, reiten hier die Männer und Jungs auf Pferden durch die weite Gegend. Auch Jurten sind gelegentlich zu sehen.
Kirgistan ist das einzige Zentralasiatische Land, dass wir ohne Visum besuchen können, es gibt hier keine Checkpoints von Polizei oder Militär an den Strassen und es ist das einzige zentralasiatische Land das nicht von ehemaligen Aparatschicks der Sovjetzeit regiert wird. Im Gegensatz zu den erstaunlich sauberen Nachbarländern liegt in Kirgistan viel Abfall herum. Was uns aber am meisten aufgefallen ist, ist das immense Alkoholproblem dieses Landes. Wenn sich eine Traube Männer am Strassenrand um eine Motorhaube gruppiert, ist nicht der Motor kaputt, sondern sie leeren gemeinsam eine Flasche oder eher mehrere Flaschen Wodka. Fährt man an einem normalen Wochentag durch die Dörfer trifft man auf unzählige besoffene Männer die über die Dorfstrasse torkeln, während die Schulkinder in ihren hübschen Schuluniformen sich einen Weg durch diese bahnen müssen. Im 3100m hoch gelegenen Sary Tash kehren wir zum Essen ein, bevor wir das Tal über den 3600 Meter hohen Taldyk Pass verlassen, einmal mehr ist unser Aufstieg von einem heftigen Gewitter begleitet. Oben angekommen merken wir erst nach einer steilen Abfahrt dass der Aufstieg noch nicht zu Ende ist, es gilt also weitere Serpentinen zu meistern. Die 100 km Abfahrt ist dann atemberaubend schön. Jurten säumen den Weg. Pferde, Kühe und Schafe weiden auf grünen Matten. Einen Tag und einen Pass später treffen wir in Osh, der zweitgrössten Stadt Kirgistans ein. 660km und zwei hohe Pässe trennen uns noch von der Hauptstadt Bishkek. Wir brechen gleich am nächsten Morgen wieder auf. In Jalal Abad, 100 km nach Osh, fängt sich Christoph eine Lebensmittelvergiftung ein. Nach einer schlimmen Nacht ist er kaum noch in der Lage auf eigenen Beinen zu stehen und ist zu schwach um das Fahrrad zu stossen. Er will trotzdem weiterfahren. Nach 5 km ist unsere Fahrt aber bereits wieder zu ende. Den Tag verbringen wir im Schatten einiger Bäume bei 40°C, Durchfall und Übelkeit und Esther als Krankenschwester. Am nächsten Tag geht es ein wenig besser, wir radeln weiter. Drei Tage später, Christoph hat bis dahin keinen Bissen heruntergebracht, stehen wir am Fusse des 3190 Meter hohen Ala Bel Passes. Die Kraft fehlt um diesen zu bewältigen. Wir organisieren einen Transport. Das Fahrzeug, eines der hier üblichen Minibustaxis, ist wohl älter wie der Fahrer und der Motor überhitzt alle paar Kilometer. Auf der anderen Passseite in Otmök angekommen, stellen wir unser Zelt an einem hübschen See in mitten von Jurten auf und verbringen dort die Nacht. Am Folgetag steht bereits der nächste hohe Pass an, auch hier organisieren wir einen Transport, auch diesmal ist es wieder ein Minibustaxi. „Heute haben wir ein besseres Fahrzeug erwischt“, denken wir zumindest. Nach der dritten Kehre rumpelt es. Die Antriebswelle für den Heckantrieb liegt auf der Strasse. Der Fahrer weiss sich zu helfen, schraubt die Sicherheitsgurte raus, knüpft diese zusammen und benutzt sie als Abschleppseil. So werden wir von einem Lastwagen den Pass hochgezogen. Da es auf der anderen Seite nur runter geht, kann man ja einfach laufenlassen, denkt sich unser Fahrer. Die ersten Höhenmeter gehen gut. Bedingt aber durch die Überhitzung, ziehen die Bremsen immer weniger. Schwitzend tritt der Fahrer immer fester auf die Bremse und zieht wie wild an der Handbremse. Auf der, im Moment noch mässig steilen Strasse, werden wir zwar langsamer aber bleiben nicht wie geplant stehen. Eine Tafel am Strassenrand signalisiert uns dass ein Gefälle von 12% folg und wir sehen wie wir uns allmählich dem steiler werdenden Strassenabschnitt nähern. Diese Tatsache lässt uns nicht gerade Hoffnung schöpfen. Wir schreien den Fahrer an er solle in die Geröllhalde des Berges fahren um schlimmeres zu verhindern.
So kommt es, dass wir letztendlich im Strassengraben landen und mit dem Schrecken davon kommen. Eilig laden wir unsere Räder aus dem Kofferraum und sind froh, auf diesen die restliche Abfahrt meistern zu können. In Bishkek angekommen haben wir Glück. Da die meisten Hotels ausgebucht sind, werden wir an eine Private Unterkunft vermittelt. Fast zwei Wochen wohnen wir so bei Galina und ihrer Tochter. Das Haus hat einen schönen Garten und liegt im Zentrum der Stadt. Die nahe Lage zu Supermärkten und feinen Restaurants kommt uns sehr gelegen und wir verbringen unsere Zeit mit viel Essen und Schlafen. Der Hauptgrund unseres langen Aufenthaltes in Bishkek ist aber die Beschaffung unseres Chinavisums. Aus verschiedenen Gründen ist es in diesem Jahr schwierig für Individualtouristen ein solches zu bekommen. Ein erster Versuch in der usbekischen Hauptstadt Taschkent ist gescheitert. In Bishkek versuchen wir es nochmals auf eigene Faust, geben aber nach ein Paar fehlgeschlagenen versuchen auf. Irgendetwas an unseren Dossier ist immer auszusetzen. So erkaufen wir uns schliesslich für teures Geld ein einmonatiges Visum für China bei einer Agentur. Gestärkt und wohlgenährt, brechen wir zusammen mit Janine und Dominik, zwei Schweizern auf dem Weg von Basel nach Singapur, zum Song Köl auf. Mit dem Wind im Rücken brettern wir der staubigen Hauptstrasse entlang bis wir abends unser Zelt in der Nähe von Kemin aufstellen und ein leckeres Abendessen geniessen. Müde legen wir uns schlafen. In der Nacht hören wir auf einmal dumpfe Geräusche in der Nähe unserer Zelte. Hat soeben etwas unser Zelt getroffen? Da, noch einmal, diesmal trifft es unsere Nachbarn Dominik und Janine. Brüllend rennt Dominik aus dem Zelt in Richtung der Steinewerfer. Zwei kirgisische Jugendliche verstecken sich hinter einem Erdwall und bewerfen uns mit faustgrossen Steinen. Auch Christoph hat sich aus dem Zelt geschlichen, still wie ein Mäuschen und bis unter die Zähne bewaffnet mit einem kopfgrossen Stein und Schaschlikspiessen. Von den Steinewerfern unbemerkt, greift er sie von der Flanke an und attackiert sie mit dem Kampfschrei „ihr huärä sausiechä“, pfeffert ihnen den Stein und die Spiesse nach. Die beiden Jungs rennen davon, als seien sie vom Teufel getrieben. Nach einigen Minuten der Geländescannung, um sicherzustellen dass die Jungs nach Hause rannten um die Hosen zu wechseln, legen wir uns wieder schlafen. Als wir am nächsten Morgen unsere Räder zur Strasse stossen, bemerken wir das der ganze Weg mit Glassplittern übersät ist. Wohl ein netter Versuch uns einen Platten einzubringen. Bei der Strasse angekommen begegnen uns Nicole und Timon, ebenfalls Schweizer auf Fahrradreise. So vergrössert sich die Gruppe um ein weiteres Paar. Gemeinsam verbringen wir den Tag auf engen, verkehrsreichen und staubigen Strassen. Dominik fühlt sich am nächsten Morgen sehr schlecht, so radeln wir gemächlich nach Kochkor und finden in einem lieblichen Guesthouse Unterkunft. Janine und Dominik legen einen Erholungstag ein, während Nicole, Timon und wir unsere Fahrt zum Song Köl fortsetzen. An diesem, auf 3000 Meter Höhe gelegenen See, wollen auch wir einen Ruhetag einlegen und dort die Ankunft von Janine und Dominik abwarten. Jedoch kommt es anders als geplant. Schon in der nächsten Nacht erwischt es Nicole und Timon. Gemeinsam verbringen wir den nächsten Tag bei unserem Zeltplatz. Dieser ist wunderschön an einem sich durch die Landschaft windenden Bach gelegen und bietet extra für Esther eine kleine idyllische Wiese zum Zeichnen. Am späten Nachmittag stossen dann Janine und Dominik zu uns. Wir sind wieder vollständig und so geht es weiter über den 3400 Meter hohen Kalmak - Ashuu Pass. Dieser fordert alles, steil, ohne Asphalt und in dünner Luft erkämpfen wir die letzte Hürde vor dem Song Köl. Im wahrsten Sinne atemberaubend ist es, auf der Passhöhe zu stehen und den Blick vom Woher zum Wohin schweifen zulassen. Jubel, Trubel und Heiterkeit herrscht als wir bei prächtigem Sonnenschein, an Pferdeherden vorbei, zum dem auf 3000 Meter gelegenen See herunter fahren. Die Zelte stellen wir unweit der Strasse inmitten von Edelweiss auf. Ein Hirte besucht uns hoch auf seinem Pferde und bringt uns Kaimak (Doppelrahm) und Brot. Die Fahrt, am nächsten Tag, entlang dem See zum anderen Ende ist länger als erwartet, der Himmel grau und das Wetter windig. Diese raue Stimmung passt perfekt an diesen beinahe unberührten Ort. Auch wenn der Wind unser vorankommen stark bremst geniessen wir die Momente. Das Mittagessen nehmen wir in einer Jurte am anderen Ende des Sees ein. Gestärkt meistern wir den Übergang nach Ak-Tal, diese Seite des Moldo - Too Gebirges ist im Gegensatz zur Seeseite mit grosse Tannen bis auf eine Höhe von 3000 Metern bewaldet. Ein Anblick der sogleich Heimatgefühle aufkommen lässt, haben wir doch schon lange keinen richtigen Wald mehr gesehen. Die Abfahrt sieht spektakulär aus und während sich die Männerwelt darüber freut, macht sich die Frauenwelt sorgen über die Funktionalität ihrer Bremsen. Am Abend ist Lagerfeuerromantik angesagt. Die Weiterfahrt am nächsten Tag führt uns durch beinahe kitschig romantische Landschaften. Dem Naryn Fluss folgend, erreichen wir am nächsten Tag den gleichnamigen Ort, die letzte grössere Ortschaft bevor wir Kirgistan verlassen. Hier müssen wir unsere Essensvorräte auffüllen nochmals ein zusätzliches Permit für den Torugartpass organisieren. Der Torugart ist der Grenzpass zwischen Kirgistan und China. Er liegt auf 3700 Metern Höhe und darf nur mit einer Sondergenehmigung befahren werden.
In Naryn verabschieden sich auch Nicole und Timon von uns, sie fahren noch einige Wochen weiter durch Kirgistan. Noch am selben Tag verlassen wir Naryn wieder mit neuen Vorräten in den Taschen. Gleich geht es steil und staubig den ersten Pass hinauf. Am Abend, unterdessen regnet es, fragen wir einen älteren Herrn zu Pferde ob wir auf seinem Land die Zelte aufstellen dürfen. Wir dürfen und bereiten uns sogleich auf eine kalte Nacht vor. Stunden später besucht uns der Herr noch einmal, diesmal sitzt er in beträchtlicher Schieflage im Sattel, nur gut dass das Pferd dem Heimweg kennt. Die Höhenmeter zum Torugartpass gewinnt man von nun an beinahe unmerklich, so sanft hebt sich die Strasse in die Höhe, auch der Rückenwind trägt seinen Teil mit bei. Oft führt die Strasse scheinbar endlos in die Weite, Orte oder Kurven sind schon Stunden vor dessen erreichen zu sehen. Allmählich befinden wir uns wieder auf über 3000 Metern, beim ersten kirgisischen Checkpoint im Grenzgebiet zu China heisst es nochmals Wasser filtern, denn dieses ist rar hier oben und muss für die nächsten zwei Tage bis nach China halten. Nur noch einige LKW‘s überholen uns und hüllen uns in ihren Staub, ansonsten sind wir beinahe alleine hier oben. Die Nächte sind kalt und der Sternenhimmel atemberaubend. Kaum zu übersehen sind die ehemaligen Grenzbefestigungen der Sovjetunion, Stacheldraht und Maschinengewehrstellungen sind heute noch zu sehen. Die letzten 25 km folgen wir dem Grenzzaun und kämpfen gegen den heftig wehenden Wind. Noch die letzte Nacht vor China, wir sind alle gespannt. Was wir nebst Tauben essen sonst noch erleben im Reich der Mitte, werdet ihr im nächsten Bericht erfahren.